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Heute geht es zunächst bergab. Die ersten Kilometer verlaufen auf der asphaltierter Straße, die die Trift ersetzt hat, und es gibt keine Möglichkeit, ihr auszuweichen. Macht aber nichts, dafür kommt man schneller voran. Und außerdem ist es noch kühl und es fahren keine Autos, sodass das akzeptabel ist. Auf der Höhe des Übergangs über einen kleinen Bach kann man noch Reste der alten Brücke sehen, die ihn überspannte.
Der Abstieg auf der Straße führt bis zum Übergang über das Flüsschen Fiumarella. Von dieser Stelle aus steigt die Trift auf einem steilen aber sauberen Weg wieder an. Nach dem ersten Steilstück erreiche ich die Straße, die einen auf einem Zick-Zack-Kurs nach Duronia bringt. Trotz der frühen Stunde kümmert sich ein Winzer schon um seinen Weinberg.
- Guten Tag!
Ich bleibe mit der Ausrede, etwas zu Atem kommen zu müssen, stehen, um ein paar Worte zu wechseln. Ich beklage, dass ich, im Gegensatz zu früheren Jahren, noch keine Brombeeren, Feigen oder Birnen gefunden habe ... das heißt keine der Früchte, die die Wanderer im Sommer suchen. Er sagt mir:
- die Reife ist bei allen Pflanzen in Zeitverzug. Sie werden nichts finden.
- Sicher, sage ich, bei dieser Hitze werden die Pflanzen leiden.
Sein Blick sagt mir, dass er gemerkt hat, einen "Städter" vor sich zu haben, der keine Ahnung vom Landleben hat.
- Nein. Schuld sind die Winterfröste, die praktisch alles weggebrannt haben. Der Winter war in dieser Gegend besonders streng. Wieso sind Sie hier mit einem Rucksack?
- Ich versuche die Trift zu durchlaufen!
Er wünscht mir Glück und entschuldigt sich, dass die Trift so schlecht erhalten ist.
- Jedenfalls können Sie, wenn es schlecht läuft, auf der Straße weitergehen.
Hier und da scheint es mir, dass er etwas übertreibt angesichts der Tatsache, dass sich der Weg im Vergleich zu vielen anderen Malen als ziemlich sauber erwiesen hat. Ich nehme meine Wanderung wieder auf und kurz nach einem erneuten Kreuzungspunkt mit der asphaltierten Straße zeigt ein Hinweisschild auf die Trift genau in Richtung eines Meeres von Brombeersträuchen. Ich beginne zu begreifen, was der Winzer mir sagen wollte und stelle mir bereits vor, wie ich meine Wanderung auf der Straße fortsetzen muss, als ich merke, dass mein GPS mir vorschlägt, einige hundert Meter entlang der Straße herunterzulaufen, um an einem anderen Punkt wieder auf die Trift zu gelangen. Ich versuche es... und befinde mich auf einem Feld... nein, das ist es nicht. Ich schaue mir das nochmal besser an. Die Spur scheint auf ein Gebiet hinzuführen, wo hohe Vegetation ist: sag mal, das ist doch ein Witz! Doch, gerade da muss man durch. Nachdem ich einige Meter, vollkommen in die Vegetation eingehüllt, vorangekommen bin, wird diese niedriger und schließlich erkennt man den Weg wieder. Und er ist frei von Brombeersträuchern!
Ich folge der Steigung und halte mich so weit wie möglich von der Straße weg. So komme ich fast ohne mit ihr Berührung zu haben in Duronia an. An einer Quelle fülle ich meine Wasserflasche wieder und setze mich zum Frühstück in eine Bar: heute lasse ich es mir gut gehen... es ist das zweite. Ich bleibe ein wenig, um den Leuten zuzuhören. Der Dialekt hat sich im Vergleich zu gestern etwas geändert. Man hört Einflüsse aus Apulien, den Abruzzen und auch etwas römischen Einschlag.
Auf einer kleinen Anhöhe ausgangs des Ortes kann man eine schöne Aussicht in die Talsenke genießen. Links sieht man Bagnoli del Trigno, wo ich meine vorherige Wanderung unterbrochen hatte. Auf den gegenüberliegenden Hügeln verläuft folglich die Trift von Celano nach Foggia. Mir scheint sogar, dass ich sie sehen kann, aber das ist wahrscheinlich Wunschdenken. Mir kommen so viele Erinnerungen hoch!
Schluss mit den Sentimentalitäten! Ich wende mich wieder den Wegbeschreibungen der aktuellen Trift zu. Wieder eine andere Sackgasse. Es schein, als ob die Beschilderung nur dazu dient, dich sicher ins Gestrüpp zu führen. Ich kehre um und folge der asphaltierten Straße. Mehrmals werde ich von Joggern überholt. Ist es denn möglich, dass die Verwaltung dieser Gegend die eigenen Bürger dazu zwingt, entlang der Staatsstraße zu laufen, wenn doch so wenig nötig wäre, die Trift sauber zu halten?
Nach mehr als einem Kilometer sehe ich in der ersten Kurve einen Weg, der herabführt: wie üblich mit hohem Gras bewachsen aber passierbar, weswegen ich gern die Gelegenheit nutze, der Asphaltstraße zu entfliehen. Nach einer weiteren Straßenüberquerung bessert sich die Lage. Ich komme in eine Gegend, wo die landwirtschaftlichen Fahrzeuge dazu beitragen, den Durchgang offen zu halten: der ganze Rest des Weges verläuft auf einer Fahrstraße.
Ich steige wieder hoch und gehe zwischen den Ortschaften Molise und Torella del Sannio hindurch. Hier ist die Trift wieder sehr gut erkennbar. Dann gehe ich Richtung Castropignano herunter. Auch heute lässt einem die Hitze keine Atempause, aber angesichts der Tatsache, dass das der Schlussabschnitt ist und der ganze Weg auf Fahrstraßen bergab führt, ist die Sache nicht so belastend und ich komme ohne anderweitige Probleme in Castropignano an.
Die Besitzerin des Zimmers, in dem ich diese Nacht verbringen werde, ist die einzige, die im Moment Gäste für nur eine Nacht aufnimmt (es war nicht leicht, sie zu finden). Aber sie bemüht sich, ihr Angebot auszuweiten. Das kleine Dorf bietet schöne Ecken und wenn sie gut aufgewertet werden, könnte es sicher Touristen anlocken. Vielleicht könnte auch die Tatsache helfen, dass es hier eine Trift gibt. Meine Gastgeberin erzählt mir von dem volkskundlichen Museum, welches sie aufmachen will: der Enthusiasmus, den sie versprüht, zeigt wie viel ihr an dem Projekt liegt. Sie freut sich sehr, dass irgendjemand sich entschieden hat, im Ort eine Pizzeria aufzumachen, sodass Leute von außerhalb etwas finden, wo sie essen gehen können.
A propos Pizzeria... ich frage nach dem Weg:
- Also, Sie nehmen das Auto...
- Nein, hören Sie, isch 'abe gar keine Auto
- Aber das ist weit, Sie müssen eine Mitfahrgelegenheit suchen...
Ich prüfe, wie weit ich gehen müsste, um dorthin zu kommen: es sind ungefähr 700 m vom Zentrum! Ich bin erstaunt, wie sich mein Gefühl für Entfernungen im Laufe der Jahre gewandelt hat. Früher hätte ich für 700 m das Auto genommen, heute käme mir das nicht mal mehr in den Sinn.
Während ich zur Pizzeria gehe, eröffnet mir ein Aussichtspunkt einen Blick auf ein Stück der morgigen Etappe auf der Trift. Ich bleibe bewundernd ein wenig stehen, bis mich der Hunger dazu treibt, mich von dem Anblick loszureißen.
Die Strecke des Tages